Ob auf TikTok, in Podcasts oder in Selbsthilfebüchern – überall heißt es: „Denk positiv und das Universum liefert.“ Aber stimmt das wirklich? Kannst du nur durch das Manifestieren guter Dinge Erfolg, Reichtum oder Liebe real in dein Leben holen?
In diesem Artikel wird ein wissenschaftlich fundierter Blick auf das Thema Manifestieren geworfen. Klären wir, warum manche daran glauben, das es wirklich funktioniert und warum das gar nich soooo ein Unsinn ist.
Was bedeutet Manifestieren?
Im populären Verständnis bedeutet Manifestieren, dass durch die Kraft der Gedanken Realitäten erschaffen werden können. Menschen schreiben sich Ziele in Tagebücher, wiederholen Affirmationen oder visualisieren ihren Erfolg – in der Hoffnung, dass sich diese Vorstellungen im realen Leben verwirklichen. Die Grundannahme dabei ist, dass das Universum auf unsere gedankliche Ausrichtung reagiert.
Demnach könnte man als aufgeklärter Wissenschaftsvertreter Manifestieren irgendwo zwischen Aberglaube und Karma einreihen. So einfach ist es aber nicht.
Aus psychologischer Perspektive lässt sich Manifestieren nüchterner und differenzierter beschreiben: Es geht nicht um Magie, sondern um Prozesse der Erwartung, Wahrnehmung und Handlungsmotivation. Hier setzt das Konzept der selbsterfüllenden Prophezeiung (Self-Fulfilling-Prophecy) an. Die selbsterfüllende Prophezeiung ist ein wissenschaftlich gut belegter Mechanismus, der zeigt, wie Erwartungen das Verhalten beeinflussen können.
Die Psychologie hinter dem Manifestieren: Die selbsterfüllende Prophezeiung
Der Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung wurde ursprünglich vom Soziologen Robert K. Merton geprägt. Gemeint ist damit ein Phänomen, bei dem die bloße Erwartung einer bestimmten Entwicklung das eigene Verhalten in einer Weise beeinflusst, dass die erwartete Entwicklung tatsächlich eintritt.
Ein besonders einflussreiches Beispiel für diesen Mechanismus ist die Studie von Rosenthal und Jacobson (1968), bekannt als „Pygmalion-Effekt“. In einem Schulkontext zeigten die Forscher, dass Lehrer, denen suggeriert wurde, bestimmte Schüler hätten hohes intellektuelles Potenzial, diesen Schülern unbewusst mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung schenkten. Die Folge: Die betreffenden Kinder verbesserten tatsächlich ihre schulischen Leistungen.
Übertragen auf das Manifestieren bedeutet das: Wenn eine Person fest an ihren Erfolg glaubt, verändert sich ihr Verhalten – sei es durch mehr Initiative, gesteigerte Resilienz oder überzeugenderes Auftreten. Diese Verhaltensveränderung kann wiederum Reaktionen im Umfeld hervorrufen, die den Erfolg wahrscheinlicher machen. Der Glaube wirkt somit wie ein Katalysator – jedoch nicht durch übernatürliche Kräfte, sondern über psychologisch nachvollziehbare Prozesse.
Positives Denken allein genügt nicht: Der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Während positives Denken viele Vorteile mit sich bringen kann, warnen Psychologinnen wie Gabriele Oettingen davor, sich ausschließlich darauf zu verlassen. In ihrer Forschung stellte sie fest, dass Menschen, die sich ausschließlich in positive Fantasien verlieren, häufig weniger Initiative ergreifen und Herausforderungen unterschätzen. Die bloße Vorstellung eines erwünschten Ergebnisses kann paradoxerweise dazu führen, dass das tatsächliche Ziel nicht erreicht wird – weil der mentale „Erfolg“ bereits ein Gefühl der Erfüllung vermittelt und dadurch die Motivation zur Umsetzung sinkt.
Oettingen entwickelte daher das Konzept WOOP: Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis), Plan. Dieses Modell kombiniert positives Denken mit realistischer Planung und konkreter Handlungsvorbereitung. Es hebt hervor, dass erst die bewusste Auseinandersetzung mit möglichen Schwierigkeiten und die Entwicklung von Strategien zur Überwindung dieser Hindernisse eine nachhaltige Zielverfolgung ermöglicht.
Manifestieren ohne Handlungsabsicht bleibt demnach bloßes Wunschdenken. Erst wenn die Vision mit konkreten Schritten verbunden wird, entsteht eine wirksame Strategie zur Zielerreichung.
Die Wirkung von Optimismus & positiver Selbstwirksamkeitserwartung
Trotz aller Kritikpunkte ist die Forschung zu positiven Erwartungen und Optimismus keineswegs ablehnend. Studien zeigen, dass eine optimistische Grundhaltung mit zahlreichen positiven Effekten einhergeht. So belegen Taylor und Brown (1988), dass Menschen mit leicht überhöhten positiven Selbstannahmen in der Regel psychisch stabiler, stressresistenter und im Umgang mit Krisen belastbarer sind.
Auch die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung, wie sie von Albert Bandura beschrieben wurde, spielt eine entscheidende Rolle: Wer davon überzeugt ist, Einfluss auf das eigene Leben zu haben, zeigt mehr Initiative, ist lösungsorientierter und bleibt auch bei Rückschlägen handlungsfähig. Diese Überzeugung entsteht jedoch nicht durch bloßes Denken, sondern durch Erfahrung, Selbstreflexion und wiederholte Erfolge.
Daher kann Manifestieren mit dem Richtigen Verständnis einen Beitrag zu einer stärkeren Selbstwirksamkeit leisten, sofern es mit aktiver Lebensgestaltung kombiniert wird.
Handlungsempfehlungen: Wenn Manifestieren, dann bitte so!
- Ziel definieren: Klare, realistische Ziele formulieren, anstatt diffuse Wünsche zu äußern.
- Vision entwickeln: Sich lebendig vorstellen, wie das erreichte Ziel aussieht und wie man sich dabei fühlt.
- Hindernisse identifizieren: Konkrete Herausforderungen benennen, die auf dem Weg auftreten können.
- Strategie planen: Konkrete Schritte entwickeln, um das Ziel trotz der Hindernisse zu erreichen.
- Reflektieren und anpassen: Den eigenen Fortschritt regelmäßig überprüfen und Strategien anpassen.
Fazit: Was Manifestieren kann – und was nicht
Manifestieren im Sinne von „Wünschen und Warten“ ist psychologisch kaum wirksam. Die Vorstellung, dass das Universum Wünsche erfüllt, wenn man nur stark genug daran glaubt, blendet zentrale Faktoren wie Motivation, Planung, soziale Einflüsse und Handlungsfähigkeit aus.
Dennoch kann Manifestieren als Praxis der Zielklärung und Selbstaktivierung sinnvoll sein. Vorausgesetzt, es basiert auf realistischen Einschätzungen und konkretem Handeln. Menschen, die sich intensiv mit ihren Zielen auseinandersetzen, sich innerlich auf Erfolg einstellen und konsequent daran arbeiten, erhöhen ihre Chancen auf Zielerreichung erheblich.
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Quellen
- Oettingen, G. (2014). Rethinking positive thinking: Inside the new science of motivation. Penguin.
- Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom: Teacher expectation and pupils‘ intellectual development. Holt, Rinehart & Winston.
- Taylor, S. E., & Brown, J. D. (1988). Illusion and well-being: A social psychological perspective on mental health. Psychological Bulletin, 103(2), 193–210.
- Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. Freeman






