Phobien: Wenn Angst das Leben bestimmt

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Ängste sind ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens, doch in manchen Fällen nehmen sie übermäßige und irrationale Ausmaße an. Solche intensiven und oft unbegründeten Ängste werden als Phobien bezeichnet. Phobien zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie das alltägliche Leben stark beeinträchtigen können.

Was sind Phobien?

Phobien sind übersteigerte Ängste vor bestimmten Objekten, Situationen oder Aktivitäten, die zu starkem Stress und Vermeidungsverhalten führen. Sie gehören zu den Angststörungen und können sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen haben.

Einige weitverbreitete Phobien sind folgende:

  • Arachnophobie – Angst vor Spinnen
  • Agoraphobie – Angst vor großen, offenen oder überfüllten Orten ohne Fluchtmöglichkeiten
  • Soziale Phobie – Angst vor sozialen Interaktionen oder öffentlichem Sprechen
  • Acrophobie – Angst vor Höhen
  • Claustrophobie – Angst vor engen oder geschlossenen Räumen
  • Trypophobie – Angst vor Mustern mit kleinen Löchern oder unregelmäßigen Strukturen
  • Aerophobie – Angst vor dem Fliegen
  • Thanatophobie – Angst vor dem Tod oder dem Sterben
  • Emetophobie – Angst vor Erbrechen
  • Nyktophobie – Angst vor der Dunkelheit

Wie entstehen Phobien?

Phobien entstehen häufig durch eine Kombination aus genetischer Prädisposition und erlernten Erfahrungen. Die klassische Konditionierung und das Modelllernen spielen dabei eine wichtige Rolle: Wenn eine Person in einer bestimmten Situation Angst erlebt, kann diese Angst auf ähnliche Situationen übertragen werden.

Auch die Evolution trägt zur Entstehung von Phobien bei, da bestimmte Ängste (z. B. Angst vor Schlangen oder Höhen) einen Überlebensvorteil hatten bzw. haben. Manche evolutionär begründete Ängste bringen im Lebensalltag der Moderne keine Vorteile mehr mit sich, weil die meisten von uns selten auf z.B. Säbelzahntiger oder Giftschlangen treffen. Dass gewisse Ängste, auch wenn sie für unser Leben aktuell nicht relevant sind, tief verwurzelt sind, ist soweit auch normal. Problematisch wird es, wenn diese Ängste unbegründet übersteigert sind uns sich so entfalten, dass die Lebensqualität beeinträchtigt wird.

Psychologische Wirkweise von Phobien

Phobien beeinflussen das Gehirn, insbesondere die Amygdala, die für die Verarbeitung von Angst verantwortlich ist. Menschen mit Phobien zeigen eine übersteigerte Reaktion auf angstauslösende Reize, was zu einer starken körperlichen (Herzklopfen, Schweißausbruch, Zittern, usw.) und emotionalen Reaktion führt. Die Angst wird oft durch Vermeidungsverhalten verstärkt. Kurzzeitiges Entkommen der vermeintlichen Gefahrensituation wird einer Auseinandersetzung mit dieser bevorzugt. Das führt oft zu einer Festigung der Phobie.

Bei Phobien kann auch eine mangelnde Hemmung der Amygdala durch den präfrontalen Kortex, der unter anderem die rationale Bewertung von Gefahren zuständig ist, vorliegen. So werden potenzielle Gefahren eher schnell und impulsiv statt ruhig und objektiv bewertet.

Der Hippocampus ist eine weitere Stelle im Gehirn, die mit Phobien im Zusammenhang stehen kann. Hier werden u.a. Erinnerungen an angstauslösende Situationen gespeichert. Bei Menschen, die unter Phobien leiden, sind die Erinnerungen an bedrohliche Erlebnisse oft viel lebhafter und zudem verzerrt hinterlegt.

Neben den neuronalen Wirkweisen sind auch die kognitiven Verzerrungen bei einer Phobie stark ausgeprägt: Phobiker befinden sich in einem Strudel der Angst. Die Gedanken kreisen um die Angst, sodass die Gefahr oft überschätzt wird. Beispielsweise wird eine Person mit phobischer Flugangst bei jeder kleinen Turbulenz überwältigende Angstgefühle bekommen.

Am Beispiel der Flugangst lässt sich auch die selektive Aufmerksamkeit, in die Phobiker verfallen, aufzeigen. So richtet sich die Wahrnehmung selektiv auf jeden möglichen Angst-Trigger wie bspw. kleine Ruckler während des Fluges.

Ebenso nährt sich die Angst von Übergeneralisierung. Jemand, der von Flugangst betroffen ist, wird die Gefahr, die vom Luftverkehr ausgeht, auf Basis verfügbarer Informationen stark überschätzen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Glücklicherweise gibt es effektive Methoden zur Behandlung von Phobien:

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapieform hilft, irrationale Gedanken zu erkennen und umzustrukturieren. Dabei soll die Denkweise bezüglich der Angst und ihrer Trigger in ein gesundes bzw. rationales Verhältnis gebracht werden.

  • Konfrontationstherapie (Expositionstherapie): Hierbei werden Betroffene schrittweise ihren Ängsten ausgesetzt, um eine Desensibilisierung zu erreichen. Bei einer Arachnophobie wären hier ein Therapiestart mit abstrakten Bildern von Spinnen bis hin zum Anfassen einer echten, lebendigen Spinne im weiteren Therapieverlauf denkbar.

  • Medikamentöse Behandlung: In schweren Fällen können Medikamente wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer helfen. Mit dem Eingriff in die Botenstoffe des Körpers können u.a. Angstsymptome blockiert werden.

  • Achtsamkeit & Entspannungstechniken: Methoden wie Meditation oder Atemübungen können helfen, die Angst zu reduzieren. In manchen Fällen ist es nützlicher nicht ausschließlich zu versuchen, die Angst selbst zu reduzieren, sondern den Umgang mit dieser zu schulen.

Fazit: Lass die Angst nicht herrschen

Phobien sind weit verbreitet und können erhebliche Einschränkungen im Leben der Betroffenen verursachen. Durch psychologische Forschung gibt es jedoch bewährte Strategien zur Behandlung und Bewältigung dieser Ängste. Wer seine Phobie versteht und aktiv daran arbeitet, kann die Kontrolle über seine Ängste zurückgewinnen.

Quellen
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